408)    [diese Note ist viele Blatter lang !]
Es hat bis jetzt  darüber  kaum  ein Zweifel bestanden, dass an  dieser Stelle und gleich darauf in dem Urkundenauszuge, in welchem Werner und  dessen  consors  Guda  ihrem  Sohne Philipp  gewisse  Allode  übertragen, Werner II und dessen Gemahlin, die domina Guda de Bolanden,gemeint sind.  Ueber das urkundlich nicht genannte Geschlecht, welchem Guda angehörte,  gehen  jedoch  die Meinungen auseinander;  in  älterer Zeit hielt  man sie  für  die Erbtochter von Nürings,  in neuerer Zeit für eine Angehörige des Mainzischen Geschlechts von  Weissenau. Die Wichtigkeit dieser Frage nicht allein für die Genealogie des Bolandischen Hauses, sondern  auch  für  die Geschichte  anderer Dynastengeschlechter und ihrer Territorien rechtfertigt ein nochmaliges Eingehen auf dieselbe.
Zuerst hat dieselbe Kremer Orig. Nass. I 191 berührt, und zwar gestützt auf seine Kenntniss des Bolandischen Güterverzeichnisses, dessen Veröffentlichung er ja auch beabsichtigte. Er identifizirt Guda, Gemahlin Werners II. von B. mit der in dem von ihm Or. II 217 ff. herausgegebenen Güterverzeichnisse des Rheingrafen Wolfram genannten Guda von Bolanden und erklärt sie demnach für die Tochter des letzten Grafen Gerhard von Nürings. Wenck h. Landesg. I 278 folgte ihm, ebenso Baer Beiträge zur Mainzer Gesch. S. 107, Köllner S. 15, Schliephake Nass. Geschichte I 78 und Ficker, die Reichshofbeamten der staufischen Periode, in den Sitzungsberichten der Wiener Akademie 1862 S. 477.
Grüsner Beiträge I 8 stellt über das Geschlecht, dem Guda angehörte, keine Meinung auf, hält sodann III 68 für den Gemahl der Guda von Nürings Ulrich I. von Minzenberg. Da Grüsner indessen weder das erst später von Kremer edirte rheingräfliche, noch das Bolandische Güter-verzeichniss kannte, braucht diese Ansicht nicht weiter berücksichtigt zu weiden, dieselbe wird nur erwähnt, weil Vogel S. 198 auf dieselbe zurückkommt,
Bodmann S. 576 nennt Jutta von Nüring Erbin von Birstein und gibt ihr den Grafen Heinrich von Diez zum Gemahl.
Scriba im Arch. f. hess. Geschichte VII 155 erklärt Guda für die urkundlich (Rossel I 125) 1208 erwähnte, aber nicht mit Namen genannte Gemahlin des Heinrich von Dieburg. Das   Unhaltbare dieser Hypothese ergibt sich aus dem Nachfolgenden, ein Grund für dieselbe ist ebenso wenig, als für die Meinung Bodmanns erfindlich.
Vogel S. 198 erörtert zwar die Frage, entscheidet sich aber für keine bestimmte Meinung.
Lehmann, Geschichte der Herrn von Bolanden (Pfalz. Burg. IV 54) beschränkt sich auf die Aeusserung, dass der Geschlechtsname der Guda unbekannt sei.
Baer hatte in seinen Beitragen zur Mainzer Geschichte den Nachweis versucht, die Verwandtschaft zwischen den von Bolanden und dem Mainzischen Geschlechte von Weissenau beruhe auf der Ehe einer Tochter des Bolandischen Hauses mit einem Herrn von Weissenau und nicht auf einem umgekehrten Verhältnisse. Schaab (Weisenau und Hechtsheim, Archiv für Hess. Gesch. II 23 ff.) bestreitet dieses, und gewiss mit Recht; nach seiner Meinung ist eine Ehe zwischen einem von Bolanden und einer Tochter von Weissenau anzunehmen, in Folge deren nach 1215 die Bolanden Weissenau erbten. Indessen die Details seiner Ausführung, dass Philipp von Falkenstein den Werner II. von Bolanden mit seiner zweiten Gemahlin, einer Schwester des Kämmerers Dudo III. und Tochter von Hartwin I. von Weissenau, gezeugt habe, der Erbe von Weissenau sei, enthalten soviel Unwahrscheinliches und Confuses, dass eine eingehendere Erörterung unnöthig erscheint.
Diese Ansicht Schaab's ist in ihrem Grundzuge neuerdings durch von Schenk in der „Verbesserten Tafel zur älteren Geschichte des Geschlechts von Bolanden" (Correspondenzblatt 1876 S. 13 ff.) wieder aufgenommen worden. Schenk verbindet:
 
Dudo I. von Weissenau & Guda von Weissenau & Werner II
Kümmerer von Mainz 1168 lebte noch 1202 von Bolanden

Bei Prüfung dieser Ansicht, muss zunächst bemerkt werden, dass unter den Gliedern jenes Mainzer Geschlechts, aus welchem der Kämmerer Dudo etwa 1170 die Burg Weissenau baute, eine Tochter Guda urkundlich nicht genannt wird. Soll sodann die Angabe Schenks, „lebte noch 1202", besagen, dass Guda, Gemahlin Werners II. von Bolanden, noch 1202 gelebt habe, so ist dieses zweifellos ein Irrthum. Diese letztere Guda starb, wie unten nachgewiesen wird, vor ihrem Gemahle, also vor 1198.
Ueber das vielleicht den Namen „de Moguntia" führende Mainzer Geschlecht, welches gegen Ende des 12. Jahrhunderts Weissenau besass, liegen abschliessende Untersuchungen nicht vor. Die nebenstehende Tafel gibt die Stammfolge des Geschlechts, soweit die Urkunden dieselbe mit unnähernder Sicherheit aufstellen lassen;  für  eine eingehendere  Untersuchung ist hier nicht der Ort. Es soll nur wiederholt worden, dass innerhalb der urkundlich bekannten Glieder des Geschlechts eine Guda wenigstens nicht nachweisbar ist, dass ferner die Urkunden der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts es nicht ermöglichen, eine Verschwägerung des Geschlechts mit den Herrn von Bolanden direct nachzuweisen.
Die einzige, dem Geschlechte nachweislich verwandte Frau des Namens Jutta ist Jutta von Dieburg, die Schwester des Note 30 näher besprochenen Heinrich von Dieburg; sie lebt noch 1208 (Rossel U.-B. von Eberbach I 125). Dass sie dem Geschlechte von Weissenau verwandt war, ist nach den bei Rossel I 117. 118 mitgetheilten Urkunden unzweifelhaft; wie, ist jedoch dunkel und Bärs Meinung (S. 62), dass sie in den ebengenannten Urkunden als Wittwe des vor 1207 gestorbenen Dudo V. auftrete, immerhin möglich. (Nach 1208 wird Jutta von Dieburg urkundlich nicht mehr erwähnt, vielleicht ist sie identisch mit der 1211 genannten Jutta, der zweiten Gemahlin des Eberhard Waro von Hagen, Rossel Eberb. U.-B. I 147.)